Es ist davon auszugehen, dass circa jeder zehnte über 65 Jahre alte Mann in Deutschland von Inkontinenz betroffen ist. Dabei ist die Dunkelziffer nicht berücksichtigt, die diese Statistik nochmals ordentlich verändern dürfte. Schließlich bekennen sich nicht wenige Männer aus Scham oder Angst nicht zu ihrer Harninkontinenz. Dieser Beitrag klärt über die Inkontinenz beim Mann auf und befasst sich mitunter mit deren Ursachen und den erfolgversprechenden Behandlungsmethoden.
Auf den Punkt gebracht
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Männer sind besonders oft von einer Dranginkontinenz betroffen, aber auch Misch- und Überlaufinkontinenzen sind nicht selten
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Der Auslöser der Inkontinenz beim Mann ist häufig in einer vergrößerten Prostata zu finden, wobei Männer manchmal auch nach einer Prostataentfernung inkontinent werden
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Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht, Alter, bestimmte Medikamente sowie Erkrankungen des Nervensystems oder Magen-Darm-Traktes
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Die Behandlung der Inkontinenz richtet sich nach dem Beschwerdebild, dem Zustand des Betroffenen und der zugrundeliegenden Ursache
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Männer und Frauen können auf spezielle Hilfsmittel (Einlagen, Vorlagen, Inkontinenz-Pants und Co.) zurückgreifen, um das Leben mit Inkontinenz leichter zu bewältigen
Formen der Inkontinenz beim Mann
Eine Harninkontinenz zeichnet sich ganz einfach gesagt stets dadurch aus, dass der Betroffene keine volle Kontrolle über seine Blase mehr hat. Kennzeichnend ist folglich unfreiwilliger Harnverlust. Die Auslöser für den Urinverlust, die zugrundeliegenden Ursachen und die begleitenden Symptome sind Faktoren, die eine weiterführende Zuordnung des Beschwerdebildes zu einer bestimmten Form der Inkontinenz ermöglichen. Auch wenn es insgesamt sechs Formen der Blasenschwäche gibt, konzentrieren wir uns im Folgenden auf die drei Inkontinenzarten, die bei Männern am häufigsten diagnostiziert werden:
Dranginkontinenz
Bei der Dranginkontinenz ("Urge Inkontinenz") tritt überfallartig extrem intensiver Harndrang auf, der zügig zum Urinverlust führt. Betroffene Männer können nicht lange genug gegen den starken Druck auf der Blase ankämpfen, um den Urin kontrolliert auf der Toilette abzusetzen. Stattdessen verlieren sie ungewollt Urin, auch wenn die Blase womöglich noch gar nicht ganz gefüllt war.
Übrigens: Der heftige Harndrang, der typisch für die Dranginkontinenz ist, wird als imperativer Harndrang bezeichnet.
Belastungs- und Mischinkontinenz
Die Belastungsinkontinenz, bei der der unfreiwillige Harnabgang an körperliche Belastung gekoppelt ist, tritt bei Männern deutlich seltener auf als die Dranginkontinenz. Wenn Männer Symptome der Belastungsinkontinenz erleben, dann tauchen öfter gleichzeitig Beschwerden auf, die zur Dranginkontinenz passen. Es bildet sich eine Art Symptom-Kombination, wodurch dann vom Vorliegen einer Mischinkontinenz gesprochen wird.
Überlaufinkontinenz
Eine weitere "klassisch männliche" Form der Inkontinenz ist die Überlaufinkontinenz. Männer mit dieser Art der Blasenschwäche können die Blase auf der Toilette nicht mehr komplett entleeren. Es bleibt immer Restharn zurück, wodurch die Blase mit der Zeit wortwörtlich überläuft. Der betroffene Mann leidet unter ständigem Harndrang und erlebt einen fortlaufenden Urinabgang in Tröpfchen. Zusätzlich berichten Patienten mit Überlaufinkontinenz öfter von Schmerzen und Problemen beim Wasserlassen.
Die Prostata als Ursache für Inkontinenz bei Männern
Bei der Diagnose und Behandlung einer Inkontinenz bei Männern steht häufig die Prostata (Vorsteherdrüse) im Mittelpunkt. Probleme rund um die Prostata gelten als die Auslöser der Inkontinenz, die bei männlichen Betroffenen mehrheitlich festgestellt werden. Die Ursachen, die mit der Vorsteherdrüse zusammenhängen, können wir grob in zwei Gruppen unterteilen:
Vergrößerte Prostata
Eine Vergrößerung der Prostata ist als Ursache für Dranginkontinenz oder Überlaufinkontinenz bekannt. Das ist auch der Grund, aus dem diese Inkontinenzformen vorwiegend bei Männern auftreten. Schildert ein Patient zum Beispiel Symptome einer Überlaufinkontinenz, sind diese oft darauf zurückzuführen, dass die vergrößerte Vorsteherdrüse die Harnröhre verengt. Durch die blockierten Harnwege kann der Urin dann natürlich nicht mehr so einfach aus der Blase fließen, was die gängigen Beschwerden von Menschen mit dieser Inkontinenzform erklärt.
Übrigens: In vielen Fällen ist die Vergrößerung der Prostata gutartig. Grundsätzlich kann aber auch Prostatakrebs ursächlich dafür sein, weshalb ein Besuch beim Arzt oder der Ärztin des Vertrauens anzuraten ist.
Prostatektomie
Wenn die Prostata entfernt werden muss, kann auch das die Entstehung einer Inkontinenz bei Männern auslösen. Schließlich unterstützt die Vorsteherdrüse den Beckenboden und den Verschlussmechanismus der Blase. Eine Prostataentfernung kann entsprechend selbst dann, wenn Harnröhre und Schließmuskel bei der Operation unangetastet bleiben, als Ursache für das Problem Blasenschwäche infragekommen.
Weitere Ursachen für die Inkontinenz beim Mann
Wenn es im Laufe des Lebens zu einer Inkontinenz beim Mann kommt, steckt zwar oft, aber selbstverständlich nicht immer die Prostata dahinter. Daneben müssen auch diese Ursachen und Risikofaktoren berücksichtigt werden:
Erkrankungen und Medikation
Bei manchen Patienten wird die Harninkontinenz durch eine Erkrankung verursacht. In der Regel besteht dann eine Krankheit im Bereich des Magen-Darm-Traktes oder des Nervensystems. Das kann beispielsweise Multiple Sklerose, Parkinson oder Alzheimer sein, aber auch eine Harnwegsinfektion, Blasensteine oder ein Reizdarmsyndrom. Zudem ist es keine Seltenheit, dass es nach einem Schlaganfall zur Inkontinenz kommt. Wird der unfreiwillige Harnverlust durch eine Erkrankung hervorgerufen, steht natürlich die Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund - die Inkontinenz ist lediglich eine Begleiterscheinung.
Nimmt ein Mann bestimmte Medikamente, können auch diese der Grund dafür sein, dass die Kontrolle über die Blase abhanden geht. Insbesondere Diuretika, ACE-Hemmer, Cholinesterase-Hemmer und Betarezeptorenblocker können die Entstehung einer Inkontinenz bei Männern und Frauen erklären.
Übergewicht
Egal ob bei Männern oder Frauen: Übergewicht ist ein Risikofaktor für Inkontinenz. Das zusätzliche Körpergewicht erzeugt schließlich Druck, der auf den Bauchraum wirkt. Trifft dieser Druck auf eine geschwächte Blasen- und Beckenbodenmuskulatur, kann es durchaus passieren, dass unwillkürlich Urin abgeht.
Übrigens: Gerade eine Belastungsinkontinenz, bei der der Urinverlust zum Beispiel beim Lachen, Niesen und Husten auftritt, kann durch Übergewicht deutlich verstärkt werden.
Alter
Der Faktor des Alters spielt beim Thema Inkontinenz immer eine Rolle. Zum einen entwickeln Männer mit steigendem Alter eher eine vergrößerte Vorsteherdrüse. Zum anderen wird das Körpergewebe mit fortgeschrittenem Lebensalter schlaffer. Die fehlende Elastizität des Gewebes betrifft nicht nur die Haut und somit die direkt sichtbaren Bereiche, sondern auch die Strukturen um den Beckenboden und die Blase. Nicht umsonst sind gerade unter den Männern die meisten Inkontinenz-Betroffenen über 65 Jahre alt.
Behandlung: Was Männern mit Harninkontinenz hilft
Nachdem eine Diagnose vom Arzt gestellt und so festgestellt wurde, welche Form von Inkontinenz im Einzelfall für die geschilderten Beschwerden sorgt, können Männer unterschiedliche Therapien und Behandlungsansätze ausprobieren. Üblicherweise rät der Arzt - je nach Form, Symptomatik und Ursache der Blasenschwäche - zu folgenden Therapien:
Training für den Beckenboden
Auch wenn der schwache Beckenboden vorrangig als Grund für die Inkontinenz bei Frauen angesehen wird, können auch inkontinente Männer von gezieltem Beckenbodentraining profitieren. Das gilt insbesondere für Männer mit einer Misch- oder Belastungsinkontinenz. Die Beckenbodenmuskulatur lässt sich mithilfe spezieller Übungen nachhaltig aufbauen, wodurch das Problem mit abgehendem Urin binnen einiger Monate gelöst oder zumindest reduziert werden kann.
Übrigens: Der Arzt schickt den Patienten für das Beckenbodentraining in aller Regel zu einem Physiotherapeuten, damit dieser sinnvolle Übungen vorschlagen und deren korrekte Ausführung erklären kann.
Medikamente
Männern, die mit Inkontinenz zu kämpfen haben, können auch Medikamente verschrieben werden. Zwar existieren keine Mittel, die einen schwachen Beckenboden wie von Zauberhand stärken oder einen geschädigten Schließmuskel reparieren können, die Medikamente können jedoch anderweitig unterstützen. So gibt es zum Beispiel Wirkstoffe, die eine Reizblase beruhigen, die Elastizität der Blase fördern oder eine überaktive Blasenmuskulatur entspannen.
Denkt ein Mann über eine medikamentöse Behandlung seiner Harninkontinenz nach, ist das ein Thema, das unbedingt mit dem behandelnden Arzt besprochen werden sollte. Denn nur dieser kann entsprechende Präparate verschreiben sowie über mögliche Neben- und Wechselwirkungen aufklären. Fakt ist: Eine medikamentöse Therapie kann bei einer Inkontinenz weiterhelfen, die bestehenden Probleme aber nur selten im Alleingang lösen.
Operationen
Wenn alle nicht-invasiven Methoden ausgeschöpft wurden, ohne dass sich dadurch die erhoffte Besserung eingestellt hat, bietet sich gegebenenfalls ein operativer Eingriff an. Mit verschiedenen operativen Verfahren kann beispielsweise ein künstlicher Schließmuskel implantiert, eine Blasenerweiterung (Blasenaugmentation) vorgenommen oder eine Harnröhrenschlinge eingesetzt werden. Das alles ist möglich, in vielen Fällen aber nicht nötig. Oft kann die Lebensqualität von Männern mit Inkontinenz auch ohne Operation in zufriedenstellendem Maße erhöht werden.
Inkontinenz bei Männern: Hilfsmittel leisten Unterstützung im Alltag
Inkontinenzhilfsmittel begleiten den Mann mit Blasenschwäche im Alltag und können ihm zu einem freieren, weniger eingeschränkten Leben trotz Harninkontinenz verhelfen. Gemeint sind damit Produkte zur Inkontinenzversorgung, die mitunter dafür sorgen, dass austretender Urin sicher aufgesaugt wird und nicht etwa auf die Kleidung gelangen kann. Zusätzlich findet in vielen Fällen eine zuverlässige Neutralisierung von Gerüchen statt. Typischerweise werden bei der Inkontinenz bei Männern unter anderem Inkontinenzeinlagen, Inkontinenz-Pants und spezielle Vorlagen für Menschen mit Harninkontinenz verwendet.
FAQ
Wie entsteht die Inkontinenz bei Männern?
Beim Großteil der Männer hängt die Inkontinenz mit der Prostata zusammen. Wenn diese beispielsweise vergrößert ist und auf die Harnröhre drückt, kann eine Drang- oder Überlaufinkontinenz entstehen. Wurde die Prostata hingegen entfernt, bildet sich manchmal eine Belastungsinkontinenz. Weitere Risikofaktoren sind das Alter und Übergewicht sowie bestimmte Erkrankungen und Medikamente.
Welche Symptome haben Männer mit Inkontinenz?
Je nachdem, welche der Formen der Inkontinenz vorliegt, äußert sich die Blasenschwäche unterschiedlich. Möglich sind mitunter diese Symptome:
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Unfreiwilliger Urinverlust
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Abgang kleiner Mengen von Urin bei körperlicher Belastung (z.B. beim Heben, Treppensteigen, Niesen, Lachen und Husten)
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Plötzlich auftretender, extrem heftiger Harndrang
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Harndrang, der nach dem Entleeren der Blase zügig wieder auftritt
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Schmerzen beim Wasserlassen
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Unangenehme Gefühle im Unterleib
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Notwendigkeit, die Toilette auch nachts mehrmals zu benutzen
Welche Behandlung hilft gegen Inkontinenz beim Mann?
Die Inkontinenz-Therapie sollte immer entsprechend des Beschwerdebilds des einzelnen Betroffenen ausgewählt werden. Denkbar sind unter anderem Beckenbodentraining, die Gabe von Medikamenten und operative Eingriffe.