Mit zwischen fünf und neun Millionen Betroffenen alleine in Deutschland ist die Inkontinenz eine Thematik, mit der sich sehr viele Menschen im Laufe ihres Lebens konfrontiert sehen. Daher ist es wichtig, aufzuklären und Männern und Frauen Mut zu machen, über ihre Inkontinenz zu sprechen. Schließlich sollte ein Beschwerdebild, das so weit verbreitet ist, kein Tabuthema sein! Unser Ratgeber beschreibt die Inkontinenz im Hinblick auf ihre Formen, Symptome und Ursachen und erklärt, welche Therapieansätze und Behandlungen Betroffenen weiterhelfen können.
Auf den Punkt gebracht
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Eine Harninkontinenz äußert sich durch unfreiwilligen Harnverlust, während bei einer Stuhlinkontinenz die Kontrolle über den Abgang von Darmgasen und Stuhl fehlt
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Die Harninkontinenz ist in verschiedenen Formen bekannt: Es gibt die Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz), die Dranginkontinenz, die Mischinkontinenz, die Überlaufinkontinenz, die Reflexinkontinenz und die extraurethrale Inkontinenz
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Je nach Form gehören starker Harndrang, tröpfchenweiser oder schwallartiger Abgang von Urin, Schmerzen beim Wasserlassen, unangenehme Gefühle im Unterleib und ein ständiger Druck auf der Blase zu den Beschwerden, die Inkontinenz-Patienten schildern
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Die Ursachen einer Inkontinenz sind vielfältig, wobei dem Harnverlust bei Frauen besonders oft eine Beckenbodenschwäche und bei Männern eine Prostatavergrößerung zugrunde liegt
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Um eine Inkontinenz zu diagnostizieren, führt der Arzt ein Anamnesegespräch gefolgt von körperlichen Untersuchungen, die der genaueren Abklärung der Inkontinenz dienen
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Auf Grundlage der Diagnose können passende Behandlungsansätze, beispielsweise medikamentöse Therapien, Beckenbodentraining, Blasentraining oder auch Operationen, besprochen werden
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Auf die individuellen Beschwerden angepasstes Inkontinenzmaterial unterstützt Inkontinenz-Patienten im Alltag und erleichtert Angehörigen inkontinenter Pflegebedürftiger die tägliche Pflege
Inkontinenz in der Definition
Der Begriff Inkontinenz beschreibt die Tatsache, dass Betroffene unwillkürlich Stuhl oder Urin verlieren. Sie haben die Fähigkeit, die Ausscheidung von Harn oder Stuhl zu steuern, verloren und erleben nun unkontrollierten Stuhl- oder Harnverlust. Dabei ist die fehlende Kontrolle über die Ausscheidung ein wesentliches Merkmal der Inkontinenz. Will heißen: Muss eine Person zum Beispiel auffallend oft zur Toilette, kann die Blasenentleerung aber grundsätzlich kontrollieren und den Urinabgang trotz Harndrang so lange verhindern, bis sie ein WC gefunden hat, liegt höchstwahrscheinlich keine Inkontinenz vor.
In vielen Fällen wird das Wort Inkontinenz entsprechend falsch verwendet. Denn oft fehlt es an Informationen zu diesem wichtigen Thema, die eine korrekte Identifikation und Beschreibung einer Inkontinenz möglich machen würden. In Anbetracht der Häufigkeit, in der die Inkontinenz bei Frau und Mann diagnostiziert wird, ist es höchste Zeit, das zu ändern! Es gilt, umfassend über die Beschwerden, ursächlichen Hintergründe und Behandlungsoptionen der Inkontinenz aufzuklären, damit Betroffene frühzeitig und richtig auf erste Symptome reagieren können.
Harninkontinenz: Die Formen der Inkontinenz der Blase im Überblick
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Stuhlinkontinenz und Harninkontinenz. Während wir uns der Stuhlinkontinenz später in diesem Beitrag zuwenden, nehmen wir nun zunächst die Harninkontinenz unter die Lupe. Von einer Harninkontinenz - umgangssprachlich auch Blasenschwäche genannt - ist die Rede, wenn unfreiwillig Urin aus der Harnblase entweicht. Sehen wir uns die sechs Formen der Inkontinenz der Blase an:
Die Belastungsinkontinenz
Bei der Belastungsinkontinenz, die man auch unter dem Namen Stressinkontinenz kennt, tritt der unwillkürliche Urinabgang in Verbindung mit körperlicher Belastung auf. Die Belastung, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, meint eine Druckerhöhung im Bauchraum. Zu einer solchen Druckerhöhung kommt es klassischerweise beim Hinauf- oder Hinabgehen von Treppen, beim Gehen und Springen, beim Anheben von (schweren) Gegenständen oder auch beim Niesen, Lachen oder Husten. Betroffene dieser Form der Inkontinenz berichten nicht selten davon, keinerlei Harndrang zu verspüren, bevor Urin abgeht.
Übrigens: Die Belastungsinkontinenz ist die meistdiagnostizierte Inkontinenzform und wird bei circa vier von zehn Menschen mit Inkontinenz-Beschwerden festgestellt.
Die Dranginkontinenz
Anders gestaltet sich das Beschwerdebild bei der Dranginkontinenz: Hier ist der Urinverlust nicht mit körperlichem Stress verbunden. Dafür schildern Betroffene das Auftreten von extrem starkem Harndrang, der sich so unvermittelt einstellt und so rasch in seiner Intensität steigert, dass sie Harn verlieren, bevor sie eine Toilette erreichen können. Bei dieser Störung der Blasenfunktion kommt es selbst dann zu dem sogenannten imperativen Harndrang, wenn der Füllstand der Blase niedrig ist. Die Blasenfüllung passt also eigentlich überhaupt nicht zu dem heftigen Druck auf der Harnblase, den Betroffene Frauen und Männer wahrnehmen.
Die Mischinkontinenz
Wenn ein Patient sowohl von Beschwerden, die typisch für eine Dranginkontinenz sind, berichtet als auch Symptome einer Belastungsinkontinenz zeigt, leidet er vermutlich unter einer Mischinkontinenz. Diese spezielle Form der Inkontinenz zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass das Beschwerdebild teilweise zur Dranginkontinenz und teilweise zur Belastungsinkontinenz passt. Patienten mit einer Mischinkontinenz haben also beispielsweise mit plötzlich einsetzendem, heftigen Harndrang zu kämpfen und verzeichnen außerdem den Verlust von Harn bei körperlicher Anstrengung.
Die Überlaufinkontinenz
Während der Harndrang bei der Dranginkontinenz überfallartig aufkommt, ist er bei einer Überlaufinkontinenz geradezu allgegenwärtig. Betroffene dieser Form der Inkontinenz spüren fast durchgehend einen unangenehmen Druck auf der Harnblase und verlieren unfreiwillig tröpfchenweise Urin. Warum? Das lässt sich vereinfacht wie folgt erklären: Bei der Überlaufinkontinenz befindet sich ein Hindernis in oder an der Harnröhre oder dem Blasenausgang. Dieses Hindernis verhindert eine vollumfängliche Entleerung der Blase, wodurch stets eine gewisse Harnmenge zurückbleibt. Wird die Blase zu voll, läuft sie wortwörtlich über - die Folge ist ein tröpfchenweiser Harnabgang.
Übrigens: Der ungewollte Absatz von Harn schützt im Falle der Inkontinenz vor weitaus gravierenderen Folgen. Schließlich kann es bei einer Überlaufblase auch zu einem Harnrückstau mit Schädigung der Nieren und sogar zu einer Urämie kommen. Entsprechend ist diese Form der Harninkontinenz besonders erst zu nehmen und zwingend mit einem Arzt zu besprechen.
Die Reflexinkontinenz
Liegt eine Reflexinkontinenz vor, so geht der Urinabgang meist schwallartig vonstatten. Blasenprobleme dieser Art gehen im Kern nicht auf die Blase oder die Blasenmuskulatur an sich, sondern auf das Nervensystem zurück. Dabei sind die Zuckungen und Reflexe, die den Harnabgang auslösen, genauso unkontrollierbar wie der Verlust von Urin selbst. Der Reflexinkontinenz liegen neurologische Erkrankungen zugrunde, die dafür verantwortlich sind, dass die Kommunikation zwischen Blase und Gehirn nicht ideal funktioniert.
Die extraurethrale Inkontinenz
Eine sehr besondere Form der Harninkontinenz ist die extraurethrale Inkontinenz. Hierbei tritt Urin aus Körperstellen abseits der Harnröhre aus und entweicht zum Beispiel aus Vagina oder Anus. Die Ursache für die seltenste der Formen der Inkontinenz sind Fistelgänge, die den Harn ausgehend von Blase oder Harnröhre "falsch" ableiten. Diese Fisteln können angeboren oder erworben sein und sich beispielsweise nach einer Operation bilden.
Die Schweregrade der Stuhlinkontinenz
Die Stuhlinkontinenz wird vom unfreiwilligen Absatz von Darmgasen und -schleim sowie Stuhl gekennzeichnet. Patienten, die unter dieser Form der Inkontinenz leiden, verfügen nicht selten über eine vollkommen intakte Blasenfunktion. Manchmal treten Stuhl- und Harninkontinenz aber auch in Kombination auf.
Bei der Stuhlinkontinenz werden drei Schweregrade unterschieden:
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Schweregrad 1: Keine Kontrolle über das Entweichen von Darmgasen, während Stuhl kontrolliert eingehalten werden kann
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Schweregrad 2: Unkontrollierter Verlust von flüssigem Stuhl, während fester Stuhl zuverlässig eingehalten werden kann
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Schweregrad 3: Nicht steuerbarer Absatz von festem Stuhl, flüssigem Stuhl und Darmgasen
Stuhlinkontinente Personen nehmen den Stuhldrang manchmal bewusst wahr, ohne irgendetwas gegen den unkontrollierten Stuhlabgang unternehmen zu können. In anderen Fällen bemerken die Betroffenen überhaupt nicht, dass sie Stuhl verlieren, und verspüren auch keinen Stuhldrang.
Inkontinenz bei Frauen und Männern - Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Fasst man alle Formen der Inkontinenz zusammen, so fällt auf, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Betrachtung einzelner Formen liefert jedoch weiterführende Informationen, die die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Frauen und Männern beim Thema Inkontinenz detaillierter aufzeigen.
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Unter den Patienten mit Belastungsinkontinenz sind Frauen in der großen Überzahl. Andersherum ist es bei der Dranginkontinenz: Diese Form der Harninkontinenz scheint unter den Männern besonders weit verbreitet zu sein. Die Stuhlinkontinenz betrifft hingegen etwa gleich viele Männer und Frauen.
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Die Zahlen zeigen außerdem, dass Frauen vergleichsweise jünger von Inkontinenz betroffen sind als es bei Männern im Schnitt der Fall ist. Männer haben nur selten vor ihrem 50. Lebensjahr mit Beschwerden, die zu einer Inkontinenz passen, zu tun. Derweil ist die Inkontinenz zwar auch bei Frauen im Alter häufiger, so manche Frau erlebt den unkontrollierten Harnverlust aber durchaus schon in ihren Dreißigern - oder noch früher.
Auch wenn das Thema der Auslöser von Inkontinenzen erst später in diesem Ratgeber im Mittelpunkt steht, möchten wir an dieser Stelle ein paar Worte zu den geschlechterspezifischen Ursachen verlieren. Denn auch diesbezüglich sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen unübersehbar: Inkontinente Männer erleiden den unfreiwilligen Urinverlust besonders oft aufgrund einer vergrößerten Prostata, wohingegen Frauen klassischerweise infolge von Schwangerschaft und Geburt oder in den Wechseljahren inkontinent werden. Der "typisch weibliche" Grund für die Inkontinenz ist ein schwacher Beckenboden.
Inkontinenz erkennen: Erste Anzeichen für Angehörige
Bei Erwachsenen mit Inkontinenz spielt die Scham oftmals eine große Rolle und verhindert, dass das Problem offen angesprochen wird. Betroffene verschweigen ihre Beschwerden also häufig und weihen weder ihre Angehörigen noch ihren Arzt ein. Da sich die Inkontinenz nur durch eine adäquate Behandlung bessern kann, steht die schambedingte Verschwiegenheit einer Besserung im Wege - ein Teufelskreis.
Falls Sie als angehörige Person den Verdacht hegen, dass ein Ihnen nahestehender Mensch inkontinent sein könnte, gibt es einige Anzeichen, auf die Sie gezielt achten können:
Auffällige Verhaltensweisen
Als erstes werden Ihnen womöglich verdächtige Verhaltensweisen auffallen. Vielleicht beobachten Sie mit Sorge, dass Ihr Angehöriger extrem wenig trinkt, sich öfter als eigentlich nötig umkleidet oder überdurchschnittlich oft zur Toilette geht. Oder Sie stellen fest, dass sich der vermeintlich Betroffene zurückzieht, gemeinsame Aktivitäten ablehnt, nur noch ungern Ausflüge unternimmt und soziale Kontakte überwiegend meidet. Zusätzlich können Sie gegebenenfalls eine gewisse Unruhe und Nervosität ausmachen, die immer dann auftritt, wenn gerade keine Toilette in unmittelbarer Umgebung zu finden ist. All das sind Verhaltensweisen, die auf eine Inkontinenz hindeuten können.
Gerüche und Verschmutzungen
Ein deutlicher Hinweis können Verschmutzungen und Gerüche sein. Wenn Sie Urin- oder Stuhlspuren an Unterwäsche und Kleidung, auf der Bettwäsche oder an gepolsterten Möbeln, wie etwa Sesseln oder Stühlen mit Sitzkissen, erkennen, spricht das ebenfalls für eine Inkontinenz. Darüber hinaus können Gerüche Ihren Verdacht bestätigen, und zwar nicht nur an der Person selbst, sondern auch an zuvor getragenen Klamotten, Polstermöbeln und allgemein in Räumen, in denen sich Ihr Angehöriger aufgehalten hat.
Hygieneartikel
Menschen, die Harnverlust erleben, aber noch keine Unterstützung bei diesem Problem erhalten, versuchen oft, der "undichten Blase" mit Hygieneartikeln zu begegnen. Sie nutzen dann zum Beispiel Binden und Einlagen, die eigentlich für die Menstruation gedacht und zumeist nicht saugfähig genug sind, um zu einer angemessenen Inkontinenzversorgung beizutragen. Sollten Sie solche Hygieneartikel im häuslichen Umfeld Ihres Angehörigen vorfinden, kann auch das auf eine Inkontinenz hinweisen.
Sie haben verschiedene dieser Anzeichen beobachtet und sind sich recht sicher, dass Ihr Angehöriger inkontinent ist - was jetzt? Wir würden dazu raten, die Thematik im Rahmen eines Gesprächs unter vier Augen auf den Tisch zu bringen. Gehen Sie dabei mit Fingerspitzengefühl vor, machen Sie Ihrem Gegenüber keine Vorwürfe, weil es nicht von sich aus auf Sie zugekommen ist, und betonen Sie, dass man sich für Inkontinenz nicht schämen muss. Legen Sie Ihrem Angehörigen einen Besuch beim Arzt nahe und machen Sie ihm Mut. Schließlich ist Inkontinenz üblicherweise gut behandelbar und mit einer korrekten Versorgung steht Betroffenen ein unbeschwertes Leben mit hoher Lebensqualität offen.
Ursachen: Warum entwickelt sich eine Inkontinenz?
Für die Inkontinenz gibt es weit mehr als eine Ursache. Die Gründe, aus denen sich eine Stuhlinkontinenz oder Blasenschwäche entwickelt, sind vielfältig und für den Betroffenen selbst manchmal erst erkennbar, wenn sie im Zuge der Diagnostik durch einen Arzt aufgedeckt werden. Alle denkbaren Ursachen aufzugreifen, würde den Rahmen dieses Ratgebers sprengen. Wir konzentrieren uns daher auf die Auslöser und Risikofaktoren, die besonders oft hinter einer Inkontinenz stecken:
Schwäche der Beckenbodenmuskulatur
Frauen, die unter einer Harninkontinenz leiden, weisen mehrheitlich eine Schwäche des Beckenbodens auf. Der Beckenboden unterstützt das Verschlusssystem von Blase und Harnröhre normalerweise in seiner Funktion und kann dieser Aufgabe bei mangelnder Kraft nicht mehr gerecht werden. Klassischerweise tritt dann eine Belastungsinkontinenz auf. Die Beckenbodenschwäche kann dabei durch Schwangerschaft und Geburt oder durch die Wechseljahre verursacht sein, aber auch eine genetische Veranlagung zu schwachem Gewebe kommt als Ursache infrage.
Übrigens: Die geschwächte Beckenbodenmuskulatur ist zwar vor allem bei Frauen die Inkontinenz-Ursache Nummer 1, kann jedoch auch beim Mann dafür verantwortlich sein, dass ungewollt Urin abgeht.
Erkrankungen und Medikamente
So manche Erkrankung kann eine Inkontinenz auslösen, wobei die Blasenschwäche dann lediglich ein begleitendes Symptom darstellt und nicht im Zentrum des Krankheitsbildes steht. Erkrankungen, die mit Inkontinenz in Verbindung gebracht werden, betreffen beispielsweise den Harntrakt, beziehen sich auf Magen und Darm oder gehören zur Gruppe der neurologischen Erkrankungen. Entsprechend wird die Inkontinenz beispielsweise bei Patienten mit folgenden Erkrankungen diagnostiziert:
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Multiple Sklerose
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Parkinson
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Alzheimer
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Querschnittslähmung
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Schlaganfall
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Diabetes mellitus
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Harnwegsentzündung
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Harnröhrenverengung
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Prostatavergrößerung
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Blasensteine
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Tumore in Blase und Harnröhre
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Reizdarmsyndrom
Eine verengte Harnröhre, eine vergrößerte Prostata, Blasensteine und Tumore sind gängige Ursachen der Überlaufinkontinenz, während der Reflexinkontinenz zumeist neurologische Erkrankungen zugrunde liegen und Harnwegsentzündungen in aller Regel eine Dranginkontinenz hervorrufen.
Unter Umständen ist es jedoch gar nicht die vorliegende Erkrankung, die die Inkontinenz auslöst, sondern das Medikament, das zur Behandlung eingenommen wird. Schließlich gibt es durchaus Mittel, die nachweislich Inkontinenzen begünstigen können, indem sie beispielsweise die Ausscheidungsmenge an Urin verändern oder die Blase reizen. Die Inkontinenz tritt mitunter als "Nebenwirkung" von ACE- und Cholinesterase-Hemmern sowie Betarezeptorenblockern und Diuretika auf.
Operationen
Werden im Verlauf von Operationen Strukturen verletzt, die die Funktion von Blase und Schließmuskel gewährleisten, kann diese Schädigung die Ursache einer Inkontinenz sein. Gerade bei Männern, bei denen eine Prostatektomie vorgenommen wurde, kommt es so vermehrt zu Harninkontinenzen. Der Hintergrund lässt sich schnell erklären: Die Entfernung der Prostata kann den Beckenboden destabilisieren, was wiederum eine Belastungsinkontinenz wahrscheinlicher macht. Bei manchen Männern, die sich aufgrund einer Überlaufinkontinenz für eine Prostatektomie entscheiden, taucht daher nach der OP eine andere Form der Harninkontinenz auf.
Alter
Auch wenn theoretisch Menschen jeden Alters eine Inkontinenz entwickeln können, steigen die Fallzahlen mit dem Alter. Das gilt vor allem für Männer: Während Frauen manchmal schon vergleichsweise jung inkontinent werden, zeigt sich die Inkontinenz beim Mann im Normalfall nicht vor dem 50. Lebensjahr. Dass das Alter zu den Faktoren, die das Risiko für Inkontinenzen vergrößern, gehört, liegt eigentlich auf der Hand. Schließlich findet mit zunehmendem Alter eine Erschlaffung des Körpergewebes - und damit auch des Beckenbodens und der Blasenmuskulatur - statt. Bei Männern ist zudem ein Anwachsen der Prostata mit steigendem Lebensalter keine Seltenheit. Wir erinnern uns: Prostatavergrößerungen zählen zu den klassischen Ursachen der Harninkontinenz beim Mann.
Übergewicht
Was viele Menschen überrascht: Auch Übergewicht erhöht das Risiko dafür, dass sich eine Inkontinenz entwickelt. Das liegt daran, dass das Plus an Gewicht einen gewissen Druck auf den Bauchraum und damit auch auf die Harnblase ausübt. Ist die Blasenmuskulatur nicht stark genug oder das Gewicht einfach viel zu hoch, kann das als Auslöser von ungewolltem Harnverlust ausreichen. Hinzu kommt die Tatsache, dass übergewichtige Personen eher Diabetes mellitus entwickeln - eine Erkrankung, die die Nerven schädigen kann und daher zu den Ursachen von Inkontinenz gehört.
Psychische Auslöser
Zu guter Letzt darf auch die Psyche unter den Faktoren, die eine Inkontinenz begünstigen können, nicht vergessen werden. Wer dauerhaft immensem psychischen Stress ausgesetzt ist, ist unter Umständen anfälliger dafür, eine Inkontinenz zu entwickeln. Außerdem kann Stress auf psychischer Ebene die Ursache dafür sein, dass sich die Symptomatik einer anderweitig bedingten Inkontinenz verschlimmert.
Diagnosestellung: Grundzüge der Diagnostik bei Inkontinenz
Da die Inkontinenz in verschiedenen Arten auftritt und sich die optimale Behandlung stets nach Form und Ursache richtet, ist es für Betroffene von großer Bedeutung, eine Diagnose zu erhalten. Diese kann nur von einem Arzt gestellt werden, wobei der Weg zunächst über den Hausarzt führt. Je nachdem, wie dieser die Sachlage beurteilt und welche Untersuchungen zur weiteren Abklärung nötig sind, wird er bei Bedarf eine Überweisung an einen Gynäkologen, Urologen, Proktologen oder Neurologen ausstellen.
Der Prozess der Diagnostik setzt sich im Wesentlichen aus diesen drei Bausteinen zusammen:
Vorbereitung
Um den Termin beim Arzt bestens vorbereitet wahrnehmen zu können, kann der Patient mit Verdacht auf Blasenschwäche vorab ein Miktionsprotokoll erstellen. Damit ist sozusagen eine Art Tagebuch gemeint, das sich inhaltlich auf die Inkontinenz bezieht. In das Protokoll gehören vorrangig Notizen zu...:
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...den Zeitpunkten und Mengen der Flüssigkeitsaufnahme
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...den Zeiten, zu denen Harndrang aufkommt
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...den Zeitpunkten und Mengen des unfreiwilligen Urinverlusts
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...den Zeiten, zu denen die Blase kontrolliert auf der Toilette entleert wird
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...den notwendigen Wechseln von Inkontinenzmaterial, falls welches verwendet wird
Ein Miktionsprotokoll ist keine Grundvoraussetzung für einen Termin zur Inkontinenz-Diagnostik beim Arzt. Es liefert jedoch jede Menge Informationen, die die Diagnosestellung vereinfachen und das Erkennen der vorliegenden Inkontinenzform erleichtern können. Falls der Patient zunächst auf das Führen eines Protokolls verzichtet, kann es daher durchaus sein, dass der Arzt ihn im Rahmen des Termins darum bittet, eines zu erstellen.
Anamnese
Bevor Untersuchungen vorgenommen werden, wird der Arzt in der Regel ein Gespräch zur Anamnese führen wollen. Dieses Gespräch greift sämtliche relevanten Themen auf, die direkt oder indirekt mit der Inkontinenz in Zusammenhang stehen könnten. Dazu gehören die medizinische Vorgeschichte beziehungsweise Krankengeschichte des Patienten und seine aktuelle Medikation genauso wie die erlebten Beschwerden, verwendete Hilfsmittel und Therapieansätze zur Behandlung der Inkontinenz, die vielleicht schon ausprobiert wurden.
Übrigens: Für den Arzt ist nicht nur von Interesse, welche Symptome beobachtet werden, sondern auch, seit wann die Symptomatik besteht und wie regelmäßig sich die Beschwerden bemerkbar machen.
Körperliche Untersuchungen
Welche körperlichen Untersuchungen veranlasst werden, richtet sich nach den individuellen Umständen, den geschilderten Beschwerden und den vermuteten Ursachen. Möglich sind mitunter diese Untersuchungen:
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Urintest: Urin-Laboruntersuchung zur Bestimmung vorhandener Eiweiße und Bakterien sowie des pH-Werts im Urin(z.B. zum Ausschluss eines Harnwegsinfekts)
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Blutuntersuchung: Überprüfung der Nieren- und Entzündungswerte
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Hautinspektion: Begutachtung der äußeren Geschlechtsorgane, um etwaige Entzündungen und Irritationen oder Fehlbildungen zu erkennen
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Belastungstest ("Husten-Test"): Simulation von körperlichem Stress bei niedrigem Blasenfüllstand zur Beobachtung des Urinverlusts
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Blasendruckmessung: Messung des Drucks in der Blase
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Blasenspiegelung: Untersuchung zur Abklärung des Verdachts auf Blasensteine oder Tumore in der Blase
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Beckenboden-EMG: Überprüfung der Aktivität der Beckenbodenmuskulatur mithilfe einer Elektromyographie
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Ultraschall: Begutachtung von Schädigungen oder Fehlbildungen an Blase und Harnwegen sowie Erkennen von Tumoren und Blasensteinen mittels Ultraschall
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Urodynamische Untersuchung: Unterschiedliche Messungen zur Beurteilung der Funktion der Blase (z.B. Messung der Menge an Urin, die kontrolliert abgesetzt werden kann)
Die Kombination aus den Ergebnissen der Untersuchungen und den Informationen, die Miktionsprotokoll und Anamnese geliefert haben, genügt normalerweise, um eine verlässliche Diagnose zu stellen. Im nächsten Schritt geht es dann darum, Therapien auszuwählen, die zu dieser Diagnose passen und womöglich eine Linderung der Symptome versprechen.
Inkontinenz-Behandlung: Welche Therapien helfen Betroffenen?
Die Diagnose einer Inkontinenz muss nicht zwingend bedeuten, dass der Patient sein Leben lang unter den zugehörigen Beschwerden leiden wird. Schließlich gibt es heutzutage eine ganze Palette an Therapiemöglichkeiten, mit denen zufriedenstellende Effekte erzielt werden können. In manchen Fällen ist es sogar möglich, die Inkontinenz ganz zu "heilen". Ist das nicht machbar, besteht zumindest die realistische Chance auf eine erhebliche Reduktion der Symptome und damit verbunden auf eine merkliche Erhöhung der Lebensqualität.
In Abhängigkeit von der diagnostizierten Inkontinenzform und dem Zustand der betroffenen Person gelten unter anderem diese Behandlungsoptionen als vielversprechend:
Beckenbodentraining
Immer dann, wenn der Arzt eine schwache Beckenbodenmuskulatur als Ursache für den unfreiwilligen Urinverlust ausmachen konnte, wird im Normalfall Beckenbodentraining verschrieben. Ziel dieses speziellen Trainings ist der Aufbau der Muskeln, die eine unwillkürliche Blasenentleerung verhindern und die Blase in ihrer normalen Funktion unterstützen.
Natürlich braucht das Beckenbodentraining - wie jedes gute Training - Zeit. Der Beckenboden lässt sich nicht über Nacht kräftigen, sondern muss über Wochen und Monate hinweg sehr regelmäßig trainiert werden, damit der gewünschte Erfolg eintreten kann. Hierbei ist die konsequente Mitwirkung des Patienten unerlässlich, denn dieser muss das Training zumindest teilweise selbst zuhause ausführen. Zwar kann ein Physiotherapeut unterstützen, indem er passende Übungen erklärt, doch nur der Patient kann letztendlich dafür Sorge tragen, dass diese Übungen regelmäßig gemacht werden.
Übrigens: Beckenbodentraining ist die meistgewählte Therapieform bei einer Belastungsinkontinenz und auch deshalb so beliebt, weil es sich dabei um eine vergleichsweise schonende und vor allem nicht-invasive Behandlungsmethode handelt.
Toiletten- und Blasentraining
Das Toilettentraining richtet sich an Patienten, die Hilfe dabei brauchen, an die WC-Nutzung zu denken und die Blase regelmäßig zu entleeren. Ein Toilettenplan, der feste Uhrzeiten vermerkt, greift ihnen genau dabei unter die Arme, wobei je nach Zustand des Patienten die Mithilfe von Pflegepersonen vonnöten sein kann. Im Kern geht es beim Toilettentraining darum, den Patienten an angemessene Zeiträume zwischen zwei Entleerungen der Blase zu gewöhnen und ihm dabei zu helfen, den Toilettengang nicht zu vergessen.
Das Blasentraining verfolgt hingegen das Ziel einer Gewöhnung der Blase an größere Urinmengen. Davon profitieren zum Beispiel Menschen, die gewohnheitsmäßig laufend zur Toilette gehen und die Blase somit von höheren Füllständen "entwöhnt" haben. Andersherum kann das Training auch einer Person, die ihren Beckenboden durch eine ständig bis zum Anschlag gefüllte Harnblase massiv überstrapaziert, weiterhelfen. In beiden Fällen unterstützt das Blasentraining den Patienten dabei, kleinschrittig zu einer angemessenen Regelmäßigkeit der Toilettengänge zurückzufinden.
Behandlung mit Medikamenten
Bei entsprechender Indikation ist es auch möglich, Medikamente zur Therapie der Inkontinenz einzusetzen. Bei einer Dranginkontinenz können beispielsweise Mittel eingenommen werden, die die gereizte Blase beruhigen und in ihrer gesunden Funktion fördern, das Durstgefühl abschwächen und den Harndrang mildern. Der bekannteste Wirkstoff zur Behandlung einer Dranginkontinenz ist dabei Desmopressin.
Eine Belastungsinkontinenz wird hingegen eher mit Duloxetin therapiert. Dieser Wirkstoff, der auch bei diagnostizierten Depressionen verschrieben wird, setzt direkt bei der Funktion des Harnröhrenschließmuskels an und kann diesen dazu anregen, sich wieder kraftvoller zusammenzuziehen.
Zu den Möglichkeiten einer medikamentösen Behandlung zählt auch die Anwendung von Hormonpräparaten, beispielsweise als lokal anwendbare Zäpfchen oder Cremes. Diese Mittel kommen infrage, wenn eine Störung des Hormonhaushalts zu den Ursachen der Inkontinenz gehört.
Zusätzlich gibt es selbstverständlich eine ganze Reihe von pflanzlichen Mittelchen und Supplementen, die bei unkontrolliertem Harnverlust begleitend eingenommen werden können. Wichtig: Auch pflanzliche Präparate sollten nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden. Schließlich können diese unter Umständen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten verursachen.
Operationen
Operationen werden zum Zweck der Inkontinenz-Therapie normalerweise nur dann durchgeführt, wenn andere Therapien bei der betroffenen Person nicht die erhoffte Wirkung zeigen. Je nach Ursachen der Inkontinenz bieten sich unterschiedliche operative Verfahren an, unter anderem Schließmuskel-Implantate, Blasenaugmentationen, Unterspritzungen der Harnröhre und Botox-Injektionen in die Blasenwand.
Versorgung mit Inkontinenzmaterial als A und O
Egal ob Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz oder eine andere Form der Inkontinenz: Wenn die Kontrolle über die Blase verloren geht und es zu ungewolltem Urinverlust kommt, kann sich das stark negativ auf die betroffene Person und deren Leben auswirken. Viele Betroffene ziehen sich zurück, nehmen nicht mehr am sozialen Leben teil und vereinsamen. Deshalb lautet einer der vielleicht wichtigsten Tipps für Inkontinenz-Patienten: Inkontinenz und ein erfülltes Leben schließen sich nicht aus!
Im Sinne eines möglichst komfortablen Alltags mit Inkontinenz können Betroffene auf Inkontinenzmaterial zurückgreifen. Gemeint sind damit Produkte zur Inkontinenzversorgung, die zum Beispiel austretenden Urin aufnehmen und dabei Gerüche neutralisieren. Das aufsaugende Inkontinenzmaterial hilft Patienten dabei, sich unter Menschen wieder wohlzufühlen. Sie müssen sich keine Sorgen über etwaige Verschmutzungen ihrer Kleidung oder über eine Geruchsbildung bei Urinverlust machen - eine riesige Erleichterung!
Zum Inkontinenzmaterial, das bei Stressinkontinenz, Dranginkontinenz und Co. Verwendung findet, gehören zum Beispiel Windelhosen für Erwachsene, Bettschutzeinlagen und Inkontinenz-Pants. Mit solch sicheren Produkten ausgestattet, können Inkontinenz-Patienten Niesen, Lachen, Husten und ihr Leben genießen, ohne dass die Inkontinenz dazwischenfunkt.
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FAQ
Was ist der Unterschied zwischen Stuhl- und Harninkontinenz?
Bei der Stuhlinkontinenz verlieren Patienten unfreiwillig Darmgase oder Stuhl, während bei der Harninkontinenz der unwillkürliche Absatz von Urin im Vordergrund steht.
Ist Inkontinenz eine Krankheit?
Nein, bei der Inkontinenz handelt es sich strenggenommen nicht um eine Krankheit. Die Inkontinenz kann aber in Verbindung mit Erkrankungen - gängig sind hier neurologische Erkrankungen - auftreten. Eine Blasenschwäche ist also per Definition keine Krankheit, kann aber von bestimmten Krankheiten verursacht oder verstärkt werden.
Sind Frauen oder Männer öfter von Inkontinenz betroffen?
Fasst man sämtliche Inkontinenzformen zusammen, so ist die Mehrheit der Betroffenen weiblich. Das gilt in besonders hohem Maße für die Belastungsinkontinenz. Es gibt allerdings auch Inkontinenzformen, die häufiger beim Mann diagnostiziert werden. Das beste Beispiel hierfür ist die Dranginkontinenz. Diese geht nämlich oft auf eine vergrößerte Prostata zurück, was sie zu einem "typisch männlichen" Problem macht.
Ist ein Arztbesuch bei Blasenschwäche notwendig?
Betroffenen einer Inkontinenz ist dringend zu empfehlen, sich ärztlichen Rat zu suchen. Denn: In vielen Fällen ist Inkontinenz hervorragend behandelbar, sofern eine korrekte Diagnose vorliegt. Es lohnt sich also, Scham und Angst beiseite zu schieben und die Sache anzugehen.
Kann Inkontinenz "geheilt" werden?
Die Symptome einer Inkontinenz können mit der passenden Therapie oftmals maßgeblich gelindert werden. Manchmal ist es sogar möglich, die Inkontinenz-Beschwerden ganz zu beseitigen. Die erfreuliche Antwort lautet also: Ja, bei einer Inkontinenz gibt es realistische Aussichten auf Besserung!
René PlästerRené Pläster ist Geschäftsführer und Mitgründer der DGV Deutsche Gesellschaft für Pflegehilfsmittelversorgung. In seiner kaufmännischen Laufbahn ist er bereits früh beruflich in den Kontakt mit der Pflege zu Hause gekommen und hat sich auf den Homecare-Markt spezialisiert. Durch die Pflegebedürftigkeit mehrerer Familienmitglieder ist die bestmögliche Versorgung Pflegebedürftiger in ihrem häuslichen Umfeld für ihn nicht nur Nebensache, sondern Herzensangelegenheit. |